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BEGRIFFSLOGIK

Eine Einführung

Basierend auf Bruno v. Freytag Löringhoffs Buch "Neues System der Logik"

Wenn uns etwas erzählt wird, erhebt sich oft die Frage, ob die Erzählung wahr sei. Der Erzähler könnte sich ja irren oder gar lügen. In dieser Lage müssen wir irgendwie nachschauen, ob es so ist oder war, wie der Erzähler behauptet. Wir stehen vor dem WAHRHEITSPROBLEM. Aber dieses Nachschauen ist meist nicht leicht und oft unmöglich. Damit sind wir beim Problem der VERIFIKATION, der Feststellung von Wahrheit, bzw. der FALSIFIKATION, der Feststellung, daß Wahrheit nicht besteht, daß es anders ist, als der Erzähler behauptet hat.

Nur auf wenigen Gebieten haben wir Möglichkeiten, manche Behauptungen zu falsifizieren oder zu verifizieren (z.B. in der Mathematik), auf den meisten Gebieten fehlt es daran. Dann bleibt uns nichts übrig, als entweder die Behauptung zurückzuweisen, oder von uns aus dem Erzähler Kredit zu geben, ihm vorläufig zu glauben und seine Behauptung so zu behandeln, als wüßten wir, daß sie wahr sei. Ganz ohne solchen Kredit kann kein vernünftiges Gespräch zustandekommen und in Gang bleiben, denn im Gespräch jagen sich die Behauptungen in schneller Folge, und die Nachprüfung ist ein viel zu langsames Geschäft. Aus Gewohnheit und von Natur aus sind wir leichtgläubig und merken, wenn jemand gewandt und lange spricht, nicht, wieviel er behauptet und wie wenig er beweist, zumal er möglichst oft so tut, als behaupte er gar nicht neu, sondern wiederhole nur in etwas anderer Weise schon Gesagtes und Akzeptiertes, als argumentiere er, und zwar in einer Weise, die den Zuhörer zwinge, das nun Gesagte gleichfalls zu akzeptieren.

Damit sind wir beim Problem der ARGUMENTATION. Daß viele Argumentationen sehr überzeugend klingen, aber tatsächlich fauler Zauber sind, das kann einem auf die Dauer nicht entgehen, und die Frage wird dringend, wie man brauchbare, wirklich zwingende Argumentationen von trügerischen unterscheiden kann. Damit sind wir endlich bei dem Problem, aus dem, auch historisch, die LOGIK hervorgeht.

Der Logiker will also hinter die Geheimnisse der Richtigkeit von Argumentationen kommen. Die Wahrheit des Behaupteten ist nicht seine Sache, sondern nur, wie damit in der Argumentation umgegangen wurde. Die Sache, von der die Rede war, interessiert ihn auch nicht, auch nicht die Sprache, die benutzt wurde, sondern allein eine gewisse, nämlich die LOGISCHE FORM DER ARGUMENTATION.

Das bewahrt uns vor einer Fülle schwieriger Probleme, vor denen wir stehen, sobald wir vom Formalen zum Inhaltlichen, Materialen von Argumentationen übergehen. Besonders die Verbindung von Logik und Erkenntnislehre war verhängnisvoll für die Logik. So wurde die Logik mit Problemen belastet, die nicht ihre Probleme waren. Die Verbindung von Logik und Erkenntnislehre, aber auch Psychologie, Ontologie, Sprachphilosophie ist ein Fehler. Diese klare Abgrenzung der Logik ist in früheren Jahrhunderten nicht so deutlich gesehen worden, die Folge waren dickleibige Bücher, die sich hauptsächlich mit logischen Scheinproblemen befassten.

Logik kann man systematisch und REIN, d.h. unabhängig vom Materialen, treiben!

Eine gut ausgebaute reine Logik ist nicht der Weisheit letzter Schluß, aber sie kann, richtig angewandt, auf allen Gebieten der Erkenntnis wie der praktischen Entscheidungen eine Grundlage, ein sicheres Standbein, ein zuverlässiges Hilfsmittel werden, unter der Voraussetzung freilich, daß es gelingt, manche Vorurteile gegen die Anwendung von Logik überhaupt abzubauen.

In der heutigen Zeit gibt es hauptsächlich zwei Arten, Logik zu betreiben. Die eine ist die auf Aristoteles zurückgehende sogenannte BEGRIFFSLOGIK, auch klassische Logik genannt, bei der Begriffe die elementaren Bausteine sind und Urteile und Schlüsse aus ihnen zusammengesetzte Strukturen.

Mit G. Frege gewann eine andere Art Logik (die Urteilslogik, heute: Aussagenlogik) an Bedeutung. In ihr sind Aussagen, Gebilde, die entweder wahr oder unwahr sind, die elementaren Bausteine. Jetzt interessiert, wie sie zu komplexen Aussagen verknüpft werden, und darauf erbaut sich in einer Theorie der Aussagenfunktionen ein Kalkül (die Prädikatenlogik), in dem auch von Begriffen die Rede sein kann, allerdings in einer Weise, die mit der begriffslogischen Theorie nicht übereinstimmt.

Bekannt ist auch noch die Boole-Schrödersche Algebra der Logik. Markantes Zeichen der Boole-Schröderschen Algebra, wie auch der Aussagenlogik (die Aussagenlogik ist eine spezielle Boole-Schrödersche Algebra) sind die beiden Verknüpfungen 'und' und 'oder'.

Die Urteilslogik hat die Begriffslogik in diesem Jahrhundert fast vollständig verdrängt hat. Der Begriffslogik blieb nur ein kleines Refugium in der Philosophie.

Seit 1938 hat sich Prof. Dr. B. Baron v. Freytag Löringhoff diesem Trend widersetzt. Nicht aus Sympathie für den schwächeren Kontrahenten, sondern hauptsächlich in der Überzeugung, daß der begriffslogische Ansatz der problemgerechtere ist und seine scheinbare Unterlegenheit nur darauf beruht, daß man sich mit Anfangserfolgen auf diesem Wege, sehr schönen Erfolgen, zufriedengegeben und versäumt hat, mit Hilfe einer geeigneten Symbolik, einer guten Sondersprache für diese Logik, mehr herauszuholen.

Dieses Unternehmen hat im Laufe der letzten Jahrzehnte zu Ergebnissen geführt, die die Erwartungen bei weitem übertroffen haben. Insbesondere hat sich ein Weg ergeben, der von der Begriffslogik zur Boole-Schröderschen Algebra und damit zur Aussagen- und Prädikatenlogik führt und diese bis dato getrennten Logikansätze zusammenführt.

Hier soll nun eine Einführung in die Begriffslogik gegeben werden.

Der Begriff

Grundbaustein dieser Logik ist, wie schon gesagt, der BEGRIFF. Als Begriff betrachten wir alles, was meinbar ist und das ist schlechthin alles: Existierendes wie Nichtexistierendes, Individuelles wie Allgemeines, Widerspruchsfreies wie Widerspruchsvolles, Inhaltsreiches wie Inhaltsleeres, Bekanntes wie Unbekanntes, Wahres wie Unwahres, Erkennbares wie Unerkennbares, Scharfes und Unscharfes, Definiertes und Undefiniertes, usw. Man stelle sich vor, es gäbe etwas Nicht-Meinbares, würde man es angeben, hätte man es gemeint. Wir haben hier also den allgemeinsten Begriff vom Begriff.

Einen Begriff können wir fast beliebig bezeichnen, lediglich einige wenige Konventionen gibt es.

Ein Begriff hat Inhalt. Zum Inhalt gehört alles, was mit Sicherheit positiv von ihm gesagt werden kann, alles, was an ihm ist. Etwas ungenau, dafür aber gut verständlich, ist die Vorstellung, es mit einer Liste von Merkmalen zu tun zu haben, die diesem Begriff zukommen.

Ein Begriff hat Umfang. Zum Umfang gehört alles von dem der Begriff gilt, alles, was in ihm ist, alle seine Arten.

Zu jedem Begriff kann man sein Negat bilden. Das Negat eines Begriffes ist all das, was nicht der Begriff ist. So ist z.B. das Negat des Begriffes 'Raucher (Mensch)' auch der Nichtraucher, aber auch ein Pferd, ein Haus, ein Streichholz, usw. Der Negatbegriff faßt alle die Begriffe zusammen, die verschieden von dem Begriff sind, zu dem das Negat gebildet werden soll. Das Negat des Negates eines Begriffes ist wieder der Begriff selbst.

Zwei Grenzbegriffe gibt es:

Das ist zum einen der Begriff des Meinbaren selbst, ein Begriff der als einzigen Inhalt hat, daß er meinbar ist, und das ist so gut wie nichts, denn jeder Begriff ist meinbar. In seinem Umfang ist daher alles. Er wird der inhaltsleere Begriff genannt, oder kurz: M.

Das Negat des Meinbaren wäre das 'Nicht-Meinbare', ein Begriff, der wie wir oben gesehen haben, widersprüchlich ist. Das Negat des Meinbaren nennen wir W, den widersprüchlichen Begriff. Er ist umfangsleer, denn es gibt nichts worauf er zuträfe, außer sich selbst. Sein Inhalt umfaßt alles, was nur irgendwie gemeint werden kann, also absolut alles. Man kann zeigen, daß es nur einen widersprüchlichen Begriff gibt, daß er uns in den verschiedensten Gewändern daherkommt ist etwas anderes, wie auch, daß es nur einen inhaltsleeren Begriff gibt.

Desweiteren ist es nützlich, einen Begriff zur Verfügung zu haben, von dem wir nichts weiter wissen, als das er in einem Zusammenhang gerade an dieser Stelle steht. Wir kennen nicht seine Bezeichnung und nicht seinen Inhalt, nur das er da ist wissen wir. Unser Zeichen für diesen Begriff wird sein: ().

Noch einen Begriffstyp können wir gebrauchen, den sogenannten vergeßbaren Begriff. Von diesem Begriff kennen wir auch nicht die Bezeichnung, wir wissen aber immerhin, daß er nicht widersprüchlich, also W, und auch nicht inhaltsleer, also M ist. Unser Zeichen für einen solchen Begriff ist: (').

Werden mehrere vergeßbare Begriffe benötigt, so muß man andere Zeichen zwischen die Klammern setzen. Diesen Begriffstyp werden wir bei den abgeschwächten Urteilen und Schlüssen benötigen.

Beziehungen zwischen Begriffen

Wir untersuchen jetzt, in welchen Beziehungen Inhalte und Umfänge von Begriffen zueinander stehen können. Die wichtigste Beziehung zwischen Begriffen ist die IDENTITÄT. Identität ist ein sehr schwer definierbarer Begriff. Identität ist nicht Gleichheit, diese ist ein Grenzfall der Ähnlichkeit, eine Beziehung zwischen zwei Relaten. Totalidentisch kann dagegen nur etwas mit sich selbst sein. In diesem Sinne ist die Totalidentität nicht fruchtbar für die Beziehungen zwischen Begriffen, jeder Begriff steht sozusagen isoliert da. Eine andere Identität aber ist fruchtbar. Es ist die TEIL-IDENTITÄT. Sie wird auch das ART-GATTUNGS-VERHÄLTNIS genannt.

In diesem Verhältnis stehen etwa die Begriffe 'Streichinstrument' und 'Geige'. Die 'Geige' ist eine Art der Gattung 'Streichinstrument'. 'Geige' hat allen Inhalt von 'Streichinstrument' und darüber hinaus noch weiteren Inhalt, der dieses Streichinstrument speziell als Geige kennzeichnet, etwa Größe, Armhaltung, usw. Es ist hier keine spezielle, einzelne Geige gemeint, sondern der allgemeine Begriff 'Geige'.

Dieses Art-Gattungs-Verhältnis drückt man auch aus, wenn man sagt: 'Alle Geigen sind Streichinstrumente'. Hier haben wir das alte a - Urteil des Aristoteles vor uns, nur das es jetzt durch die Identitätsbeziehung erklärt wird. Man könnte auch sagen, daß 'Geige' vollständig im Umfang von 'Streichinstrument' enthalten ist.

Nun führen wir noch eine andere Art von 'Streichinstrument' ein, die 'Bratsche'. Auch 'Bratsche' steht im Art-Gattungs-Verhältnis zu 'Streichinstrument'. Auch hier können wir also sagen: 'Alle Bratschen sind Streichinstrumente'.

Aber nun stellen wir uns die Frage, wie 'Geige' und 'Bratsche' zueinander stehen. Ganz sicher stehen sie nicht im Art-Gattungs-Verhältnis, denn weder hat 'Geige' allen Inhalt von 'Bratsche' noch ist es umgedreht der Fall, im Gegenteil sogar: 'Geige' und 'Bratsche' haben Inhalte, die einander widersprechen. Anders ausgedrückt: 'Geige' und 'Bratsche' sind verschieden voneinander. Diese Verschiedenheit drückte bei Aristoteles das e - Urteil aus: 'Alle Geigen sind nicht Bratschen'. Wir wollen diese Verschiedenheit DIVERSITÄT nennen. Sie ist für uns aber nicht einfach nur Verschiedenheit, sondern eine ganz bestimmte Verschiedenheit, nämlich UMFANGSFREMDHEIT, d.h. diese Begriffe haben keine gemeinsamen widerspruchsfreien Arten, denn in einer gemeinsamen Art zweier diverser Begriffe würden auch die einander widersprechenden Inhalte der beiden Begriffe zusammengefaßt. Eine solche Art wäre deshalb W, der widersprüchliche Begriff und der ist umfangsleer.

Wir haben nun bisher zwei der vier aristotelischen Urteile durch Begriffsbeziehungen erklärt. Es fehlen noch die beiden abgeschwächten Urteile i und o. Wir setzen nun A und B für die bisher benutzten Begriffe ein, um allgemeiner zu sein. 'Geige' usw. haben wir nur zur besseren Anschaulichkeit benutzt.

Das i - Urteil heißt: 'Einige A sind B'. D.h. aber nichts anderes, als das einiges vom Umfang von A auch im Umfang von B ist, daß es also einen Begriff gibt, der sowohl Art von A als auch Art von B ist. Von diesem Begriff, von dem wir die Bezeichnung nicht zu kennen brauchen, müssen wir nur wissen, daß es ihn gibt, daß er logisch existiert, daß er also nicht widersprüchlich ist. Diesen Begriffstyp haben wir bereits erwähnt, es ist der vergeßbare Begriff. Eine andere Beschreibungsmöglichkeit wäre, daß, da ja A und B gemeinsamen Umfang haben, sie somit NICHT-UMFANGSFREMD, also auch NICHT-DIVERS sind.

Das o - Urteil heißt: 'Einige A sind nicht B'. Für uns würde das bedeuten, daß es eine Art von A gibt, die divers zu B ist. Oder anders ausgedrückt, daß es etwas im Umfang von A gibt, daß nicht im Umfang von B ist. Wir können nicht folgern, daß deshalb auch A divers zu B ist, weil der Inhalt der die Diversität hervorruft, ja gerade beim Übergang von der vergeßbaren Art auf die Gattung A verloren gehen könnte. Wir können aber mit Sicherheit sagen, daß A NICHT-ART von B ist.

Wir haben nun die vier aristotelischen Urteile allein durch Identitäts- und Diversitätsbeziehungen zwischen Begriffen erklären können. Es gibt aber noch mehr Urteile. Wir haben bisher immer mit dem Umfang eines Begriffes argumentiert, wir könnten aber auch genauso über den Inhalt argumentieren, wie wir das bereits andeutungsweise beim a - Urteil getan haben. Zur Erinnerung: Das a - Urteil lautet: 'Alle A sind B'. Man kann jetzt auch sagen, daß B vollständig im Inhalt von A liegt. Anders gesagt: 'Alles an B ist an A'. Dieses Urteil wollen wir das ä - Urteil nennen.

Wir haben erkannt, daß Diversität Umfangsfremdheit bedeutet. Da ist es naheliegend, auch von INHALTSFREMDHEIT zu sprechen. Wenn zwei Begriffe zueinander inhaltsfremd sind, dann kann ihre gemeinsame Gattung nur M sein, dann ist das einzige, was sie gemeinsam haben, die Eigenschaft meinbar zu sein. Inhaltsfremde Begriffe tauchen in unserer normalen, alltäglichen Begriffswelt nicht auf, die Inhaltsfremdheit ist deshalb fast unbekannt. Trotzdem ist sie wichtig. Wir werden die Inhaltsfremdheit das ë - Urteil nennen, und es wie folgt schreiben: 'Alles an A ist nicht an B'.

Als Äquivalent zu dem Begriffspaar Umfangsfremdheit - Diversität, werden wir die Inhaltsfremdheit auch DISPARITÄT nennen.

Vom i - Urteil wissen wir, daß es auch 'nicht-umfangsfremd' bedeutet. Demzufolge müßte es auch ein Urteil geben, daß NICHT-INHALTSFREMD, oder auch NICHT-DISPARAT bedeutet. Es würde etwa bedeuten, daß es einen vergeßbaren (nicht inhaltsleeren) Begriff gibt, der sowohl Gattung von A als auch Gattung von B ist. Dieses Urteil werden wir das ï - Urteil nennen und schreiben als: 'Etwas an A ist an B'.

Beim o - Urteil hatten wir eine vergeßbare Art eines Begriffes, die divers zu einem anderen Begriff war: 'Einige A sind nicht B'. Das entsprechende ö - Urteil würde demzufolge bedeuten, daß es eine vergeßbare (nicht inhaltsleere) Gattung von B gibt, die disparat zu A ist. Wir wollen es schreiben als: 'Etwas an B ist nicht an A', was auch bedeutet, daß B NICHT-GATTUNG von A ist.

Fassen wir zusammen:

Wir kennen jetzt die sogenannten Umfangs-Urteile:

a:'Alle A sind B'
e:'Alle A sind nicht B'
i:'Einige A sind B'
o:'Einige A sind nicht B'

Und die sogenannten Inhalts-Urteile:

ä:'Alles an A ist an B'
ë:'Alles an A ist nicht an B'
ï:'Etwas an A ist an B'
ö:'Etwas an A ist nicht an B'

Hier wird nun einiges deutlich:

  1. Die e, i, ë und ï - Urteile sind symmetrisch, d.h. es ist egal, ob ich z.B. 'Alle A sind nicht B' oder 'Alle B sind nicht A' sage, der Inhalt dessen, was ich sage bleibt gleich. Anders ist das bei den restlichen Urteilen, also a, o, ä und ö. Da ist es ein Unterschied, ob ich sage: 'Alle A sind B' oder 'Alle B sind A'. 'Napoleon ist ein Mensch' ist schließlich nicht gleichbedeutend mit 'Alle Menschen sind Napoleon'.
  2. Das ä - und das ö - Urteil sind von untergeordneter Bedeutung, denn sie lassen sich durch das a - bzw. das o - Urteil ersetzen, indem man die Begriffe vertauscht. D.h., daß z.B. 'Alles an A ist an B' gleichbedeutend mit 'Alle B sind A' ist. Zu einem symmetrischen Aufbau der Logik gehören diese Urteile aber dazu.
  3. Die ganze Logik durchzieht etwas, daß sich DUALITÄT nennt. Dual zueinander sind z.B.: Inhalt und Umfang, Art und Gattung, Diversität und Disparität, und noch einiges anderes, das später erwähnt werden wird. Beim e - Urteil ersetzten wir einfach Umfangsfremdheit (Diversität) durch Inhaltsfremdheit (Disparität) und erhielten das ë - Urteil. Beim a - Urteil vertauschten wir Art und Gattung, Inhalt und Umfang, und erhielten das ä - Urteil. Ebensolches gilt auch für i und ï sowie für o und ö.
  4. Ein Begriff ist zu seinem Negatbegriff zugleich inhaltsfremd und umfangsfremd, also disparat und divers. Das sind beides symmetrische Urteile. Dem entspricht, daß wir keinen Unterschied machen, ob ein Begriff ein positiver (normaler) Begriff (wie z.B. 'Geige') ist, oder ein Negatbegriff. Negatbegriffe gibt es in der alltäglichen Sprache nicht. Man kann sie konstruieren und mit ihnen arbeiten, aber anschaulich sind sie nicht.
  5. Dieses Kapitel, das bei Aristoteles vollkommen eigenständig gewesen ist, und Urteilslehre genannt wurde, wird hier von der Begriffslehre absorbiert und verliert seine Eigenständigkeit.

Prof. Dr. B. Baron v. Freytag Löringhoff entwickelte eine eigene logische Sprache die nicht linear aufgebaut ist, wie die meisten heutigen Logikkalküle, es wird also nicht zeilenweise geschrieben. Der Kalkül benutzt die ganze Fläche des Papiers für eine Art Zeichnung. Die Bezeichnungen der Begriffe werden frei auf dem Papier angeordnet, und die logischen Beziehungen dazwischen eingetragen. Eine solche Anordnung wird Begriffslage genannt. So taucht jeder Begriff nur einmal auf, und man kann dann sofort erkennen, in welchen logischen Beziehungen ein Begriff zu anderen Begriffen steht, statt sich erst mühselig durch unzählige Zeilen eines lineaeren Kalküls zu arbeiten. Wir werden versuchen, diesen Kalkül hier nachzubilden, was aber im Text nur schwer gelingt.

Die Identitätsbeziehung wird durch einen einfachen Strich zwischen den Begriffen dargestellt, die Gattung wird mit Schaftfedern markiert, demonstriert die Unsymmetrie, und zeigt sozusagen die Flußrichtung des Inhaltes.

A >----- B

Dabei ist A die Gattung und B die Art. In Urteilsform übersetzt heißt das: 'Alles an A ist an B' (ä) oder 'Alle B sind A' (a).

Die Diversitätsbeziehung wird durch einen Pfeil mit zwei Spitzen dargestellt. Dieses Zeichen ist symmetrisch entsprechend dem zugehörigen Urteil:

A <-----> B

In Urteilsform übersetzt heißt es: 'Alle A sind nicht B' (e) und vice versa.

Die Disparitätsbeziehung wird durch den sogenannten 'Runzelpfeil' dargestellt. Zwischen den beiden Pfeilspitzen ist eine Schlängellinie gezeichnet, die wir hier allerdings in Ermangelung eines geeigneten Zeichens nur unvollkommen darstellen können. Auch dieses Zeichen ist wieder symmetrisch, entsprechend dem zugehörigen Urteil:

A <~~~~~> B

In Urteilsform übersetzt heißt es: 'Alles an A ist nicht an B' (ë) und vice versa.

Nun haben wir bereits die vier sogenannten universellen Urteile a, ä, e und ë besprochen. Universell werden sie genannt, weil sie mit 'Alle' oder mit 'Alles' beginnen.

Jetzt kommen wir zu den sogenannten partikulären Urteilen i, ï, o und ö, die so heißen, weil sie nur 'Teile' von Etwas meinen und deshalb mit 'Einige' oder mit 'Etwas' beginnen.

Das i - Urteil 'Einige A sind B' können wir nach den obigen Erklärungen zum i - Urteil so übersetzen:

A >----- (') -----< B

Das ist die ausführliche Form, wir wissen aber auch, daß das i - Urteil 'nicht-divers' bedeutet. Also können wir es auch so schreiben:

A <--+--> B

Das wir eine Beziehung NICHT meinen, kennzeichnen wir dadurch, daß wir die Beziehung mit einen kleinen zur Beziehung senkrecht stehenden Strich durchstreichen.

Das ï - Urteil 'Etwas an A ist an B' übersetzen wir demzufolge so:

A -----< (') >----- B
oder kürzer so:
A <~~+~~> B

Das o - Urteil 'Einige A sind nicht B' können wir nach den obigen Erklärungen zum o - Urteil so übersetzen:

A >----- (') <-----> B

Wir wissen aber auch, daß das o - Urteil bedeutet: A ist nicht Art von B. Also können wir es auch so schreiben:

A --+--< B

Das ö - Urteil 'Etwas an A ist nicht an B' übersetzen wir demzufolge so:

A -----< (') <~~~~~> B
oder kürzer so:
A >--+-- B

Nun haben wir alle Urteile in die Strichsymbolik übersetzt. Nunmehr verfügen wir über zwei Sprachen, die wir hier nocheinmal im Vergleich darstellen wollen:

Alles an A ist nicht an B <--> A ë B <--> A <~~~~~> B
Alles an A ist an B <--> A ä B <--> A >----- B
Alle A sind B <--> A a B <--> A -----< B
Alle A sind nicht B <--> A e B <--> A <-----> B
Einige A sind B <--> A i B <--> A <--+--> B
Einige A sind nicht B <--> A o B <--> A --+--< B
Etwas an A ist nicht an B <--> A ö B <--> A >--+-- B
Etwas an A ist an B <--> A ï B <--> A <~~+~~> B

Zwischen zwei Begriffen können natürlich mehr als nur eine Beziehung bestehen. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang:

Bei der Darstellung des a- oder des ä-Urteils A -----< B wird absichtlich offengelassen, ob A mehr Inhalt hat als B oder nicht, es könnte ja auch sein, daß A und B totalidentisch sind, also auch noch gilt: B -----< A. Das schreiben wir dann kürzer auch so: A >-----< B. Wenn wir aber wissen, daß A mehr Inhalt hat als B, A sozusagen eine ECHTE Art von B ist, dann kann B auch nicht Art von A sein, es gilt also noch: B --+--< A. Das schreiben wir kürzer auch so: A <-----< B. Der Identitätsstrich wird zum Identitätspfeil.

Der Schluß

Nun kommen wir zu dem interessantesten Teil der Logik, der Schlusslehre, die wir hier aber nur kurz behandeln wollen. Die klassische Schlusslehre, die Lehre vom SYLLOGISMUS, beruht darauf, daß jeweils zwei Urteile, die einen Begriff gemeinsam haben (die Prämissen), darauf untersucht werden, ob sich zwischen den beiden verbleibenden Begriffen eine logische Folgerung ziehen läßt, also ebenfalls ein Beziehung zwischen den Begriffen besteht (die Konklusion). Der wohl bekannteste logische Schluß dieser Art ist: Aus: 'Alle A sind B' und 'Alle B sind C' folgt: 'Alle A sind C'. (Unsere Bezeichnung für diese Schlußregel ist: 1.3)

Wenden wir diesen Schluß auf unser erstes Beispiel an. Dazu führen wir noch den Begriff 'Amati' als eine spezielle Art Geigen ein. Wir können nunmehr aus der Tatsache, daß alle Geigen Streichinstrumente sind und daß alle Amati Geigen sind, folgern, daß alle Amati Streichinstrumente sind. 'Trivial' wird man sagen, aber das war auch nur ein sehr einfaches Beispiel.

Übersetzt in den Strichkalkül, den wir hier notgedrungen etwas linearisieren müssen, würde der Schluß lauten:

A -----< B, B -----< C -> A -----< C

Wir trennen in dieser linearisierten Form die Prämissen durch Kommata und verwenden den Folgerungspfeil. Von B brauchen wir dabei eigentlich nur zu wissen, daß er an dieser Stelle vorhanden ist, wir können den Schluß also auch verallgemeinert so schreiben:

A -----< (), () -----< C -> A -----< C
Ein anderer wichtiger Schluß ist der folgende:

Aus 'Alle A sind B' und 'Alle B sind nicht C' folgt: 'Alle A sind nicht C'. (Regel-Bezeichnung: 1.2a)

An unserem Beispiel: Weil alle Amati Geigen sind und Alle Geigen nicht Bratschen sind, folgt, daß alle Amati nicht Bratschen sind.

A -----< (), () <-----> C -> A <-----> C
Zu diesem Schluß gibt es einen dualen:

Aus 'Alle A sind B' und 'Alles an A ist nicht an C' folgt: 'Alles an B ist nicht an C'. (Regel-Bezeichnung 1.2b)

A >----- (), () <~~~~~> C -> A <~~~~~> C
Und noch eine vierte Schlußregel führen wir ein:

Aus 'Alles an A ist nicht an B' und 'Alle B sind nicht C' folgt: 'Alles an A ist an C'. (Regel-Bezeichnung 1.1)

A <~~~~~> (), () <-----> C -> A >----- C

Wenn man mit der ausführlichen Schreibweise der Urteile arbeitet, reichen diese vier Schlußregeln für die gesamte Syllogistik. Benutzt man die kürzere Schreibweise mit den verneinten Beziehungen, so muß man noch zusätzlich Regeln einführen, die direkt mit den verneinten Beziehungen arbeiten. Dieses gelingt einfach mit Hilfe der "inconsistenten Triade", also der Negation der Konklusion und jeweils einer Prämisse und Vertauschung beider.

Eine der bekanntesten Schlußregeln ist das 'tertium non datur'. Ein Begriff 'X' ist entweder 'A' oder 'Nicht-A'. D.h.: Ist der Begriff 'X' Art des Begriffes 'A', so ist er divers zu 'Nicht-A', dem Negat von 'A'. Und umgedreht: Ist 'X' divers zu 'A', so ist 'A' Art von 'Nicht-A', dem Negat von A. Für uns ist das eine zusammengesetzte Regel, und zwar aus den Regeln 1.1 und 1.2a.

Mehr soll hier zur Schlusslehre, die, wie schon die Urteilslehre, vollständig in der Begriffslehre aufgeht, nicht gesagt werden. Genauere Beschreibungen finden sich in den Büchern, die in den Literaturhinweisen angegeben sind.

Definitionstheorie

Die Hauptlücke der aristotelischen Logik war wohl, daß sich in ihr keine voll entwickelte Definitonstheorie fand. Eine Definiton ist logisch gesehen etwas sehr starkes. Da ist ein Unterschied, ob man sagt: 'Ellipse ist Kurve zweiter Ordung und umschließt einen endlichen Bereich', oder: 'Ellipsen nenne ich Kurven zweiter Ordnung, die einen endlichen Bereich umschließen'. Im ersten Fall hat man eigentlich nur gesagt, daß der Begriff 'Ellipse' Art des Begriffes 'Kurve zweiter Ordung' und des Begriffes 'einen endlichen Bereich umschließend' ist. Man kann daher nicht wissen, ob man den gesamten Inhalt des Begriffes 'Ellipse' beschrieben hat, 'Ellipse' könnte noch viele weitere Gattungen haben.

Im zweiten Fall hat man dagegen ganz klar gesagt, daß der Inhalt des Begriffes 'Ellipse' genau das und nur das ist, was 'Kurve zweiter Ordnung' und 'einen endlichen Bereich umschließend' ist. Man kann sich vorstellen, daß eine derartig genaue Beschreibung besondere logische Auswirkungen hat.

Wir müssen daher diesen Sachverhalt in der Symbolik verdeutlichen. Wir brauchen ein neues Zeichen. Wir wählen einen Punkt in den die Identitätszeichen hineinmünden als Zeichen für den neuen definierten Begriff. Diese Art der Definition nennen wir Spezifikation. Den so entstandenen Begriff nennen wir einen ET-Begriff, 'et', weil die Begriffsinhalte der beiden (oder mehr) definierenden Begriffe zusammengefaßt werden, also der Inhalt des ersten Begriffes und (lat: et) der Inhalt des zweiten Begriffes (und evtl. weiterer) ergeben den Inhalt des definierten Begriffes. In der Boole-Schröderschen Algebra wird die Spezifikation durch einen Punkt zwischen den Begriffen dargestellt. Eine solche Definition hat Folgen, denn nun ist jeder Begriff, der Art der beiden definierenden Begriffe ist auch Art des definierten Begriffes, der definierte Begriff ist sozusagen die oberste gemeinsame Art der beiden definierenden Begriffe. Aus definierten Begriffen folgt also mehr, als aus normalen Begriffen. Durch das Dualitätsprinzip gibt es aber auch noch eine zweite Art der Definition, die sogenannte Generalisation. Im normalen Sprachgebrauch tritt sie nur selten auf, sie ist deshalb relativ unbekannt.

Ein Begriff, der durch Generalisation aus zwei (oder mehr) Begriffen gebildet wird, hat als Inhalt nur das, was die beiden Begriffe an gemeinsamen Inhalt haben. Soetwas ist sprachlich schwer zu beschreiben, am besten vielleicht so: 'Es ist das eine oder das andere oder beides'. Hier haben wir das nichtausschließende 'oder' vor uns, das wir in Anlehnung an die Aussagenlogik als 'vel' bezeichnen wollen. Demzufolge ist ein Begriff, der durch Generalisation entsteht ein VEL-Begriff. Dieser VEL-Begriff ist die unterste gemeinsame Gattung der beiden oder mehr definierenden Begriffe. In der Boole-Schröderschen Algebra wird die Generalisation durch das + Zeichen zwischen den Begriffen dargestellt.

Individual- und Nicht-Individualbegriffe

Ein Individuum ist etwas Unteilbares, es ist einzig, es hat keine Arten. Der Mensch Sokrates z.B. ist ein Individuum, 'Sokrates' damit ein Individualbegriff. (Das Sokrates nicht mehr lebt, ist sein Problem, es ist kein Problem der Logik.) Ein Individuum hat in seinem Umfang keine widerspruchsfreien echten Arten, nur W ist Art eines Individualbegriffes. Es ist aber selbst widerspruchsfrei. Zur Beschreibung dieser Umstände gibt es Regeln, die zusätzlich zu den Regeln für normale Begriffe gelten, und nur auf Individualbegriffe angewendet werden dürfen.

Ein Individualbegriff kann auch negiert werden, dann hat man einen Negat-Individualbegriff, was immer das anschaulich auch sein mag, denn es ist das inhaltsleerste, was man sich vorstellen kann, außer M selbst. Auch für Negat-Individualbegriffe gibt es Regeln, die dual zu denen für die Individualbegriffe sind.

Abschluß

Eine logische Textanalyse hat ein großes Problem, nämlich die Schnittstelle Text - Urteil. Der Mensch muß den Text zunächst auf Urteilsform bringen, und erst dann kann er einigermaßen gesichert analysieren. Diese Übertragung ist Erfahrungssache, und zu Anfang werden dort die meisten Fehler gemacht. Wenn sich also eine Folgerung, die im Text gezogen wird, in der eigenen Analyse nicht ergibt, sollte man sich zunächst die eigene Übersetzung in die Urteilsform ansehen, und erst falls diese einwandfrei ist, genauer untersuchen, wo der Textautor möglicherweise einen Fehler gemacht, oder noch Prämissen verschwiegen hat.