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Wilhelm Schickard

22.4.1592 - 23.10.1635

Zur Person

Wilhelm Schickard wurde nicht weit von Tübingen in Herrenberg am 22. April 1592 geboren. Sein Vater war Schreiner und Werkmeister, sein Urgroßvater der Herrenberger Bildschnitzer, von dessen Kunst noch heute das schöne Chorgestühl der dortigen Stiftskirche zeugt. Der so hochberühmte Baumeister Heinrich Schickard war sein Onkel, seine Mutter eine Pfarrerstochter aus Gärtringen, eine Gmelin.

Schickard studiert Theologie am Tübinger Stift, allerdings auf sehr breiter allgemeinwissenschaftlicher Grundlage, die dieses Institut erlaubte. Schon 1611, also 19-jährig, wird er Magister, 1614 Diakon in Nürtigen.

Wilhelm Schickard

Im Jahr 1617 begegnet er zum ersten Male Kepler. Der erkennt sofort seine hohe Begabung, regt ihn zur Fortsetzung mathematischer Studien an und schätzt ihn zeitlebends insbesondere als erfindungsreichen Mechanicus und ausgezeichneten Zeicher und Kupferstecher. Auf obigem Bild ist Schickard mit einem von ihm gebauten Handplanetarium zu sehen.

1619 wird Schickard als Professor für Hebräisch, Aramäisch und andere biblische Sprachen an die Tübinger Universität berufen.

Er arbeitete eng zusammen mit Michael Mästlin, dem alten, berühmten Mathematiker und Astronomen, dem Lehrer Keplers, einem der ersten Astronomen, die sich entschieden zur kopernikanischen Lehre bekannten. 1631 wurde er dessen Nachfolger und lehrte nun auch Astronomie, Mathematik und Geodäsie.

Vor der "Schlacht" bei Tübingen 1631 floh Schickard mit seiner ganzen Familie auf das damals so nahe liegende österreichische Gebiet, 1632 vergrub er nochmals sein Geld. 1634 kaufte er in Tübingen ein Haus, das für astronomische Beobachtungen günstig lag, und hoffte auf ruhigere Zeiten. Aber nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 kamen die katholischen Truppen nach Tübingen und brachten die Pest mit. Schickard sah seine ganze Familie bis auf seinen neunjährigen Sohn sterben. Seine Frau, drei Töchter, zwei Mägde und ein Student wurden in diesem Hause in kurzer Zeit dahingerafft. Zuvor war seine Mutter von Kriegsvolk erschlagen worden. Schickard entwich mit seinem nun einzigen Kind für kurze Zeit nach Dusslingen, bekam aber Heimweh nach Haus und Bibliothek, kehrte zurück und starb auch an der Pest am 23. Oktober 1635. Sein kleiner Sohn wurde einen Tag nach ihm begraben.

Die Rechenmaschine von 1623

Die folgende Abbildung zeigt eine Rekonstruktion der ersten mechanischen Rechenmaschine der Welt, die wie erste seit kurzem wieder bekannt wird, im Jahre 1623 von dem Tübinger Professor Wilhelm Schickard gebaut wurde. Jahrhundertelang war sie so gut wie ganz vergessen, 1957 kam sie wieder ans Lichte. Ihre Wiederentdeckung und Rekonstruktion waren eine kuriose Geschichte.

Rechenmaschine

Die Wiederentdeckung ist dem verstorbenen Keplerforscher Dr. Franz Hammer zu verdanken. Im Jahre 1957 hielt er im Rahmen eines kleinen Kongresses zur Geschichte der Mathematik im Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach im Schwarzwald einen Vortrag, der alles in Gang brachte.

Hammer berichtete über Unterlagen, die er zumeist schon vor dem Kriege gefunden, aber nicht ausgewertet hatte, aus denen hervorging, daß nicht der große Franzose Blaise Pascal 1642 die erste Rechenmaschine im modernen Sinne dieses Wortes gebaut hat, vielmehr in dessen Geburtsjahr 1623 bereits ein Tübinger Professor, Wilhelm Schickard solches leistete. Hammer legte diese spärlichen Unterlagen dem Kongress vor und schloß mit der Bemerkung, wie die Maschine, von der eine kleine Federskizze, lange verlorene Anlage zu einem Brief Schickard's an Kepler, ein äußerliches Bild gab, im Inneren konstruiert gewesen sei, und ob sie überhaupt funktioniert habe, das werde man wohl niemals erfahren.

Zeichnung

Zwei Tage später widerfuhr Bruno Baron v. Freytag Löringhoff, einem der Teilnehmer dieses Kongresses, daß ihm früh am Morgen nach einer weinseligen Nacht bei erneuter Betrachtung dieser Quellen in wenigen Sekunden alles klar wurde. Der Kongreßleiter Prof. J. E. Hofmann, der Mathematikhistoriker und bekannte Bearbeiter des Leibniz-Nachlasses, gab v. Freytag Gelegenheit, noch in den letzten Stunden des Kongresses seinen Rekonstruktionsvorschlag unter allgemeiner Zustimmung vorzutragen.

Selbstverständlich entstand nun der Wunsch, eine Rekonstruktion realiter herzustellen und zu erproben.

Das war leichter gesagt als getan und wäre ohne viel Hilfe von mancherlei Seite nie zustande gekommen. Kleine Mißgeschicke hielten die Fertigstellung auf, und so wurde es Januar 1960, bis das erste Exemplar im Auditorium maximum der Tübinger Universität endlich einem großen Publikum vorgeführt werden konnte.

Computus

Die astronomischen Rechenstäbchen

Im Rahmen eines Gespräches im Januar 1987 zwischen Prof. v. Freytag Löringhoff und Prof. Matthias Schramm zur Frage ob Schickard die Neperschen Stäbchen bei der Konstruktion seiner Rechenmaschine kannte oder nicht, wies Prof. Matthias Schramm auf ein Notizblatt in Schickards Nachlaß hin, auf dem Schickard gewisse vierkantige Stäbchen skizziert und behandelt, freilich zu einem ganz anderen Zweck.

Eine von Prof. Schramm durchgeführte Transcription zeigte eine Idee zu einem Gerät zur Unterstützung astronomischer Berechnungen. Mit Hilfe der Schickardschen Stäbchen lassen sich die ekliptikalen Längen für die mittleren Bewegungen von Sonne, Mond, Knoten, das heißt Schnittpunkt der Mondbahn mit der Ekliptik, und Apogäum, erdfernstem Punkt der Mondbahnellipse berechnen. Eine Einstellung der 12 Stäbchen nach Datum und Uhrzeit (natürlich gerechnet nach der Erschaffung der Welt) genügt, um jede dieser vier Größen durch eine einzige Addition zu ermitteln (Ein idealer Einsatz für die Rechenmaschine). Vorbei ist das lästige, Fehlern Zugang gewährende Herausschreiben der Werte aus astronomischen Tafeln, ja, die Schickardschen Stäbchen treten an deren Stelle.

Im Februar/März 1987 während eines Irlandaufendhaltes erstellte Bruno v. Freytag Löringhoff den unten abgebildeten Prototyp:

Computus

Der Notizzettel stammt gewiss aus der Zeit nach 1627, dem Erscheinen von Keplers berühmten Rudolfinischen Tabellen, auf denen die Stäbchen beruhen. Bereits 1630 hatte Schickard seine Mondtheorie abgeschlossen. Dazu hätte er die Stäbchen gut gebrauchen können, und möglicherweise ist er bei diesen mühseligen Berechnungen auf die Idee mit den Stäbchen gekommen.

Nachlaß

Der Nachlaß von Wilhelm Schickard wird in der Tübinger Universität aufbewahrt. Man darf gespannt sein, welche Schätze sich noch alle im Nachlaß von Wilhelm Schickard finden werden.

Impressum

Diese Seite wurde aus diversen Veröffentlichungen von Bruno Baron v. Freytag Löringhoff zur Rechenmaschine und zu den astronomischen Rechenstäbchen zusammengestellt.