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| Grundzeichen | A B C ... | Variablen | |
| 0 1 | Konstanten | ||
|    | Beziehungszeichen | ||
|      | Verknüpfungszeichen | 
| Ausdrücke | Terme | 
| 1. Zeichen des Alphabetes (Variablen und Konstanten), die auch (mehrfach) mit Indizes oder Exponenten (aus dem Alphabet) versehen sein dürfen. | |
| 2. Sind  und  Terme, so auch  und  ;
ist  ein Term, so auch  . | 
| 3. Ist  ein Term, so ist  auch eine Formel. | 
 
| Formeln | |
| 1. Zeichen des Alphabetes, die auch (mehrfach) mit Indizes oder Exponenten (aus dem Alphabet) versehen sein dürfen. | |
| 2. Sind  und  Terme, so sind  und  Formeln. | |
| 3. Sind  und  Formeln, so auch  ,  ,  ,  ;
ist  eine Formel, so auch  . | 
 
Die eindeutige Lesbarkeit der Ausdrücke wird nötigenfalls durch Setzen von Klammern gewährleistet.
 
In dieser Beschreibung scheint entweder die Kategorie Formel oder die Kategorie Term überflüssig zu sein. Diese Darstellung wurde jedoch bewußt gewählt, um deutlich zu machen, daß zusätzlich zu den Bedingungen der formalen Sprache der Begriffslogik in der Aussagenlogik noch gilt, daß alle Terme auch Formeln sind. Da in der Begriffslogik bereits alle Formeln wie Terme behandelt werden durften, werden diese beiden Begriffe hier damit tatsächlich äquivalent. Damit werden dann auch alle Verknüpfungszeichen zu Beziehungszeichen.
 
Diese syntaktische Definition der Aussagenlogik enthält im Prinzip nur die Beschreibung der formalen Sprache. Sie ist im gewissen Sinne nicht vollständig, und daher benötigt man zusätzliche Definitionen.
Die Elemente der Menge  heißen Wahrheitswerte.
heißen Wahrheitswerte.
Eine Belegung ist eine Funktion 
 ,
wobei
,
wobei  die Menge aller Formeln ist.
die Menge aller Formeln ist.  wird auch  
Interpretation genannt. Dann gilt:
wird auch  
Interpretation genannt. Dann gilt:
 
 
 
 
 
Die Beziehungszeichen  und
und 
 sind wie folgt
definiert:
sind wie folgt
definiert:
 
|  | als |  | 
|  | als |  | 
 
Die Wirkung der Operationen  ,
,
 und
und  kann auch durch
Verknüpfungstafeln dargestellt werden:
kann auch durch
Verknüpfungstafeln dargestellt werden:
 
 
 
 
 
 
Aus der Definition von  läßt sich erkennen, daß das Symbol
,,
läßt sich erkennen, daß das Symbol
,, `` das umgangssprachliche Wort ,,und``, ,,
`` das umgangssprachliche Wort ,,und``, ,, `` das ,,oder`` und
,,
`` das ,,oder`` und
,, `` das Wort ,,nicht`` modelliert. Mit Hilfe von
`` das Wort ,,nicht`` modelliert. Mit Hilfe von  bildet man
also die zunächst ,,bedeutungslosen`` Ausdrücke der syntaktischen Definition
der Aussagenlogik in einen Bereich ab, in dem sie eine Bedeutung haben.
bildet man
also die zunächst ,,bedeutungslosen`` Ausdrücke der syntaktischen Definition
der Aussagenlogik in einen Bereich ab, in dem sie eine Bedeutung haben.
 
Auch die Beziehungszeichen  und
und 
 lassen sich durch
,,Verknüpfungstafeln`` darstellen:
lassen sich durch
,,Verknüpfungstafeln`` darstellen:
 
 
 
 
 
,, `` steht für ,,impliziert`` oder auch ,,wenn dann``, während
,,
`` steht für ,,impliziert`` oder auch ,,wenn dann``, während
,,
 `` für ,,genau dann wenn`` steht.
`` für ,,genau dann wenn`` steht.
 eine Formel und
eine Formel und  eine Belegung. Falls
eine Belegung. Falls  für alle in
für alle in  vorkommenden atomaren
Formeln definiert ist, so heißt
vorkommenden atomaren
Formeln definiert ist, so heißt  zu
zu  passend.
passend.
Gibt es eine passende Belegung  zu
zu  mit
mit 
 ,
so
heißt
,
so
heißt  erfüllbar, sonst unerfüllbar.
erfüllbar, sonst unerfüllbar.
Gilt für jede passende Belegung  zu
zu  :
:
 ,
so heißt
,
so heißt
 gültig oder auch Tautologie.
gültig oder auch Tautologie.
Auch für die Aussagenlogik kann man ein Axiomensystem zur Ableitung
aussagenlogischer Ausdrücke aufstellen. Das im folgenden vorgestellte
Axiomensystem beruht auf der bisherigen formalen Sprache. Es basiert lediglich
auf den Zeichen  und
und  und stammt bereits von G. Frege, wurde
allerdings von J. Lukasiewicz und A. Tarski [18] vereinfacht. Die
anderen Zeichen werden mittels zusätzlicher Axiome aus diesen definiert. Es
gibt zahlreiche andere Axiomensysteme, die sich aber letztlich alle als
äquivalent erwiesen haben.
und stammt bereits von G. Frege, wurde
allerdings von J. Lukasiewicz und A. Tarski [18] vereinfacht. Die
anderen Zeichen werden mittels zusätzlicher Axiome aus diesen definiert. Es
gibt zahlreiche andere Axiomensysteme, die sich aber letztlich alle als
äquivalent erwiesen haben.
 
| U1 |  | U4 |  | 
| U2 |   | 
| U3 |  | 
 
Bei dem Axiom U4 handelt es sich um den bekannten ,,modus ponens``. Mit Hilfe eines solchen Axiomensystems ist es möglich, alle und nur, Tautologien abzuleiten ( Korrektheits- und Vollständigkeitssatz der Aussagenlogik, Hilbert-Ackermann [19] ).
Man muß sich fragen, warum in üblichen Darstellungen der Aussagenlogik nicht von Anfang an eine ordentliche syntaktische Definition der Aussagenlogik eingeführt wird, die z.B. obiges Axiomensystem enthält. Dann könnte man auf die gesamte semantische Definition verzichten, denn diese enthält eine wichtige Grundfiktion. Man tut so, als wüßte man in genügenden Maße, wie man in der Umgangssprache mit den Wörtern ,,und``, ,,oder`` und ,,nicht`` umgeht. Dabei zeigt allein die Diskussion um das ,,oder`` ( ausschließlich oder nicht ? ), daß dem nicht so ist. In einem gewissen Sinne ist auch die Umgangssprache ein Kalkül, die Abbildung der bedeutungslosen syntaktischen Ausdrücke in den Bereich der Umgangssprache eine Art Übersetzung in eine anderen Kalkül, und zwar in einen wesentlich stärkeren. Im Prinzip hat man das Problem also nur in einen anderen Kalkül verschoben, in Wirklichkeit aber nichts gewonnen.
Die vorgelegte aussagenlogische Axiomatik ist ein Boolescher Verband, wenn man
 mit
mit  übersetzt, sowie
übersetzt, sowie  mit
mit  ,
,
 mit
mit  ,
0 mit 0, 1 mit 1 und
,
0 mit 0, 1 mit 1 und  mit
mit
 .
.
Beweis: Es ist nachzuweisen, daß sich alle Axiome des Booleschen Verbandes aus den Axiomen der Aussagenlogik nach Übersetzung ableiten lassen. Um uns das Leben zu vereinfachen, werden wir den Korrektheitssatz und den Vollständigkeitssatz von Hilbert-Ackermann benutzen. Es genügt also nachzuweisen, daß die Axiome des Booleschen Verbandes nach Übersetzung Tautologien sind.
 
 
(V1a)
 
 
 
(V1b)
 
 
 
(V2a)
 
 
(V2b)
 
 
(V3a)
 
 
(V3b)
 
 
(V4a)
 
 
 
(V4b)
 
 
Größtes/Kleinstes Objekt
 
 
Komplement
 
 
 
Auch hier wäre noch die Substitutionsregel des Booleschen Gleichungskalküls zu
beweisen. Dieser Beweis geht jedoch nicht über den Beweis in Abschnitt
4.1.2 hinaus, da es eine Beziehung zwischen ,,
 `` und
,,
`` und
,, `` bzw. ,,
`` bzw. ,, `` gibt, die den Beweis auf die ,,normalen``
Verknüpfungszeichen reduziert.
`` gibt, die den Beweis auf die ,,normalen``
Verknüpfungszeichen reduziert.
Die Aussagenlogik ist ein Boolescher Verband. Die andere Richtung gilt nicht,
denn ein Boolescher Verband bietet bereits rein von seiner formalen Sprache her
keine Möglichkeit, einen einzelnen Term als Voraussetzung oder Ergebnis einer
Ableitung zu bekommen. Dort gibt es immer nur Formeln, also Ausdrücke der Form
 oder
oder 
 .
.
Ein aussagenlogisches Urteil ist entweder wahr oder falsch, etwas formaler: Für
jedes Objekt  gilt: Es ist
gilt: Es ist  oder
oder  .
.
 
Versucht man dieses Verhalten auf der Basis eines Booleschen Verbandes in Regeln zu gießen, so erhält man z.B.:
 
 
 
,,Wenn  gleich 0 ist, dann ist
gleich 0 ist, dann ist  ungleich 1, und umgekehrt``
ungleich 1, und umgekehrt``
 
Andere Varianten ergeben sich durch Kontraposition der Regeln. Mit diesen Regeln erreicht man, daß sich der Bildbereich Boolescher Funktionen auf zwei speziell ausgezeichnete Werte reduziert. Nachwievor gibt es aber keine Möglichkeit, Ausdrücke zu erzeugen, die keine Beziehungszeichen enthalten. Die Zweiwertigkeit genügt also noch nicht, um die Aussagenlogik zu erhalten.
Wir haben gesehen, daß die erweiterte Begriffslogik ein spezieller Boolescher Verband ist. Ebensolches gilt für die Aussagenlogik, wobei Zweiwertigkeit zur Charakterisierung nicht ausreicht.
 
Der wesentliche Unterschied zwischen Begriffen und Urteilen ist, daß letztere immer behauptet werden, während daß für Begriffe im allgemeinen nicht gilt. So ist z.B. die Frage nach dem Wahrheitswert des Begriffes ,,Hund`` ziemlich sinnlos, wohingegen diese Frage bei dem als Begriff betrachteten Urteil ,,Alle Hunde sind braun`` durchaus Sinn macht.
Mit ,,Alle Hunde sind braun`` stellt man eine Behauptung auf, nämlich daß der vorgelegte Satz wahr sei. Dieses Prinzip, das sogenannte Urteilsprinzip, kann wie folgt charakterisiert werden:
 
Jedes Urteil  ist gleichbedeutend mit dem Urteil ,,
ist gleichbedeutend mit dem Urteil ,, ist wahr`` bzw. ,,
ist wahr`` bzw. ,, gilt``.
gilt``.
 
Formuliert man dieses Prinzip im oben vorgelegten begriffslogischen Kalkül
BL ,
so ergeben sich die folgenden Regeln:
,
so ergeben sich die folgenden Regeln:
 
| A13 |  |   | 
 
Die Axiome der erweiterten Begriffslogik (A1 - A12) zuzüglich des Axioms A13
ergeben einen Kalkül, genannt BL ,
der nach Übersetzung mit der
Aussagenlogik äquivalent ist. Dieser Beweis soll hier nicht geführt werden,
der interessierte Leser sei auf [8] verwiesen.
,
der nach Übersetzung mit der
Aussagenlogik äquivalent ist. Dieser Beweis soll hier nicht geführt werden,
der interessierte Leser sei auf [8] verwiesen.
 
Dieses Ergebnis: ,, Die Aussagenlogik ist eine spezielle Begriffslogik`` löst auch die seit Beginn bis zur Mitte dieses Jahrhunderts sehr kontrovers und sehr polemisch geführte Diskussion zwischen Begriffs- und Aussagenlogikern, welches denn nun die ,,richtige`` Logik sei.
 
Uns ermöglicht dieses Ergebnis eine einfache Einbindung der Aussagenlogik in
den Bereich der durch Venn-Diagramme zu bearbeitenden Booleschen Verbände.
Mit Hilfe des Urteilsprinzips werden Ausdrücke ohne die ,,Beziehungszeichen``
 und
und 
 in Formeln umgewandelt, die dann als
Schraffuren in die Diagramme eingetragen werden können. Sternung wird aufgrund
der Zweiwertigkeit der Aussagenlogik nicht benötigt.
in Formeln umgewandelt, die dann als
Schraffuren in die Diagramme eingetragen werden können. Sternung wird aufgrund
der Zweiwertigkeit der Aussagenlogik nicht benötigt.
Umgedreht können die Schraffuren in den Diagrammen (Unterordnungen) auch wieder mit Hilfe des Urteilsprinzips in Terme der Aussagenlogik verwandelt werden.
Diese Operationen haben allerdings durch den Benutzer, den Interpreten der Diagramme zu geschehen.
 
Auf der einen Seite läßt sich also Begriffslogik mit Venn-Diagrammen durchführen, aber wie eben zu sehen war auch Aussagenlogik. Man könnte daher auf den Gedanken kommen, Begriffslogik und Aussagenlogik wären irgendwie äquivalent, was im Gegensatz zu der obigen Behauptung stände, daß die Aussagenlogik eine spezielle Begriffslogik ist.
Äquivalenzbeweise zwischen zwei Kalkülen gelten immer nur relativ zu der verwendeten Übersetzung. Ist die Übersetzung sehr stark, wie z.B. durch das Einbauen zusätzlicher Axiome, die dann mittels der Übersetzung implizit angewendet werden, so ergeben sich Äquivalenzbeweise ohne jede Aussagekraft. So ist es auch im Fall Aussagenlogik - Venn-Diagramm. Das verstärkende Axiom steckt als Urteilsprinzip in der Übersetzung.
 
 
 
 
